3x3x3 – Glitch Window

3 Videos zu Glitches, während je 3 Wochen, auf (fast) 3m Breite ins Schaufenster gebeamt, jeweils in den Abendstunden: 18-24 Uhr

glitch (n.)
by 1953, said to have been in use in radio broadcast jargon since early 1940s, American English, possibly from Yiddish glitsh “a slip,” from glitshn “to slip,” from German glitschen, and related gleiten “to glide” (see glide (v.)). Perhaps directly from German. Apparently it began as technical jargon among radio and television engineers, but was popularized and given a broader meaning c. 1962 by the U.S. space program.

8. März – 29. März
Istvan Balogh, Current Status, 1. Declaration
2012, HD Video, 17:33 Min

Das dritte Glitch Window wollte eigentlich nichts weiter als den Begriff des Glitch aus dem digitalen Feld ins allzumenschliche zu holen – Systemversagen und Ausrutscher kennen nicht nur Computerhirne. Nun hat die Arbeit von Istvan Balogh eine traurige Aktualität gewonnen: 

Everyone has the right to life, liberty and security of person.
Universal Declaration of Human Rights, Article 3.

Everyone? Das dritte Glitch Window setzt da ab heute abend ein paar Fragezeichen. Die Videoarbeit von Istvan Balogh lässt uns einem Gehirn beim entgleisen zuschauen. Und sie spielt mit unseren Erwartungen, was Gerechtigkeit und überhaupt richtig und falsch angeht. Ich habe mal folgendes über die Arbeit geschrieben, als ich sie in Bern entdeckt habe: Current Status, 1. Declaration (2012) ist eine ziemlich ungemütliche Arbeit, und das hat zunächst einmal mit der wüsten Sprache des Protagonisten zu tun und der Unbezwingbarkeit, mit der die Unflätigkeiten immer wieder in die sorgsam abgelesenen Artikel der Erklärung der Menschenrechte hineinfahren. Der Mann erlaubt sich allerdings keinen Scherz mit der immer wilderen Besudelung der Menschenrechte – er hat das Tourette-Syndrom und kann nicht anders, es schiesst unwillkürlich und oft imunpassendsten Moment aus ihm heraus. Und es ist eine hinterhältige Arbeit, zunächst einmal weil man zum Voyeur wird – da wird ein medizinisches Faszinosum vorgeführt, und man kann nicht anders, als zuzuschauen, wie die Deklamation springt, von ruhig zu unflätig und wieder zurück – dem Geschehen gebannt zu folgen und immer auf den nächsten Aussetzer zu warten. Das Tourette-Syndrom hat seinen festen Platz im psychiatrischen Kuriositätenkabinett, das wusste schon Oliver Sacks – die Krankheit markiert die unheimliche Grenze zwischen Komödie und Dämonie. Und da eben liegt der Clou von Baloghs Arbeit: Indem er den Tourette-Patienten nicht irgendeinen Text (der Effekt wäre überall garantiert), sondern die Erklärung der Menschenrechte vorlesen lässt, kommt es immer wieder zu einem bösen Auseinanderklaffen von behauptetem Menschenrecht und Behinderten-Realität. Natürlich: auf dem Papier hat auch ein Tourette-Betroffener alle diese Rechte, aber hier wird auf sehr augenfällige Weise vorgeführt, wie schwer seine Eingliederung in einen gesellschaftlichen Alltag tatsächlich immer wieder sein wird. Eine beklemmende Erkenntnis, die auf einmal gar nichts Voyeuristisches mehr hat – vorgeführt werden nun wir anderen.

14. Februar – 7. März:
Michel Winterberg, Zeitstrom
2022, interactive video/audio installation

«Zeitstrom» macht die Simultaneität menschlicher Lebensrealitäten sichtbar, die parallel im Strom der Zeit verlaufen. Jede einzelne dieser Realitäten ist bedeutend in sich, gleichzeitig aber auch komplett unbedeutend im Vielklang all der anderen Realitäten da draussen. Das Original-Videomaterial wurde vom Künstler 2014 in Delhi aufgenommen. Michel Winterberg versieht es mit einem selbstgeschriebenen Code mit Glitches, die eine weitere visuelle Ebene schaffen, ein belebtes digitales Gemälde, das wiederum auf die Bewegungen der Betrachterinnen und Betrachter reagiert.

«Zeitstrom» (Eng. time stream) transforms the phenomenon of the different human realities of life that exist simultaneously in parallel in the stream of time. Each one is individually important for oneself and for one’s surroundings, but completely negligible in the enormous quantity of realities formed by all mankind. The original video footage was recorded by the artist in 2014 in Delhi. He runs these through his own programmed code to create glitches which create a new layer like moving paintings.

Twitter:
@GlitchYourSelf
@MichelWinterb

https://michelwinterberg.ch

25. Januar – 14. Februar:

Timo Ullmann, Touchscreen
2020, FullHD, 12 min

Ein sehr haptischer Glitch – ein kaputter Touchscreen fabriziert wunderbar fliesende und gleitende Fehlmuster. Das Video zeigt manuell generierte Bildstörungen in Nahaufnahme. Durch Druck auf den LCD-Bildschirm und Manipulation der Flüssigkristalle kreiert ein Finger vergängliche Bilder. In Interaktion mit den Pixeln, farbigen Linien und der amorphen, schwarzen Fläche des Bildschirms entstehen flüchtige Kompositionen. Die Technologie wird nicht für die Darstellung eines digitalen Bildes genutzt, sondern als Material untersucht.

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