18 December 2020 – April 2021
Eine Einbürgerung
Der symbiont als Orangerie, als Heimathafen für sogenannt «invasive», bei uns also unerwünschte Arten. Die Idee einer zu bewahrenden, originären Natur hat allerdings einige braune Flecken – hier darf der Fremdenfeindlichkeit noch bedenkenlos gehuldigt werden, mit Spitzhacke, Glyphosat und kruden Vorstellungen von reproduzierfreudigen Ausländern, die dem einheimischen Kraut den Platz an der Sonne wegnehmen. Nicht umsonst reichen die Verbindungen von Naturschutz und rechtem Denken weit zurück.
Der japanaische Knöterich (Japanese Knotweed, Reynoutria japonica) ist zu so etwas wie der Superbösewicht in diesem Plot. Um 1820, als sich Japan noch von der Aussenwelt abschottete, brachte der Arzt, Ethnograf und Botaniker Philipp Franz von Siebold die Pflanze nach Europa – er wollte die hiesigen Gärten und Parks mit den faszinierenden Pflanzen und Gehölzen Japans bereichern. Ab 1840 begann Seibold den fremden Staudenknöterich kommerziell zu vertreiben. Seither hat er sich in ganz Europa verbreitet und gilt heute als invasiver Neophyt par excellence. Hat sich das Knotweed einmal eingenistet, wird man es nur mit viel Aufwand wieder los – und geographische Grenzen sind ihm natürlich egal. Die Folgen sind wirtschaftlich spürbar So verliert bespielsweise ein mit Knöterich «verseuchtes» Grundstück in Grossbritannien empfindlich an Wert. Ob Neophyten allerdings wie oft behauptet so dominant in Ökosysteme drängen, dass es zur Ausrottung einheimischer Arten kommt, ist in der Fachwelt umstritten.
Der englische Begriff Xenophobia wiederum trifft den Kern des Projekts besser als der deutsche «Fremdenhass» – da steckt ein Unbehagen dem Anderen, Fremden gegenüber tief in uns, das sich nicht so leicht diskursiv aus der Welt schaffen lässt. Beziehungsweise: das immer wieder neu austreibt, auch wenn man die sichtbaren Ableger mit Stumpf und Stiel ausgerissen glaubt. Die Angst vor Veränderung als Rhizom und Nährboden, auf dem immer wieder neue rechte Ideologien wachsen. Natur schützen ja, aber vor was, oder wem und welche Natur meinen wir eigentlich?
Tim Kummer, Roland Fischer
Januar-März 2021

The symbiont becomes an orangery, a home port for so-called “invasive”, i.e. undesirable species. The idea of an original nature to be preserved, however, has some brown spots – here, xenophobia may still be practised without hesitation, with pickaxes and crude ideas of reproductive foreigners who take away the native herb’s place in the sun. The links between nature conservation and right-wing thinking go back a long way, and not without reason.
And nota bene: with this setting, symbiont will also create a temporary home for other beings lost in the social distance of winter. Drop by! There’s lots to read, there’s punch, there’s a little warmth. And there is probably also something like a Schutzkonzept. Live and let live.